Ich bin Tab und bin mit Dulguun zusammen fürs fem_Archiv beim Asta angestellt.
Seit Juli 2007 schon wird das fem_Archiv durch das Geschlechterpolitik-Referat des AStA der Universität Potsdam als Ergänzung und Alternative zur Uni Bibliothek initiiert und betreut. Es ist auch ein zentraler Innenstädtischer Potsdamer Ort zum Treffen von Gruppen, Vernetzen sowie für bereits viele vergangene Veranstaltungen. Mittlerweile warten etwa 600 Bücher, Filme, Zeitschriften, Zines, Kinderbücher, Audios darauf von jeder Person KOSTENLOS ausgeliehen zu werden.
Die Idee eines feministischen Archivs ist nicht einzigartig oder neu. Seit den 1960er Jahren sind unabhängige Archive, Bibliotheken und Dokumentationsstellen aus dem vielfältigen Spektrum der damaligen Protest- oder Oppositionsbewegungen entstanden. Denn: Wissensbestände wurden über lange Zeit unterschlagen und viele Denker_innen und Frauenrechtler_innen fanden keinen Eingang in Geschichts- oder Schulbücher. Es schreiben an der Geschichte aber mehr Menschen mit als nur alte weiße Männer.
Die feministischen Archive sind Gedächtnis und Zentren feministischer Bewegungen sowie von Frauen- und Geschlechterforschung. Sie bilden ab, was Feminist_innen bewirkt haben und stellen Pionier_innen und Rollenbrecher_innen in allen gesellschaftlichen Bereichen aus allen Zeiten vor.
Warum ist aber die Aufbewahrung und Bereitstellung queeren und feministischen Wissens notwendig? Warum braucht es ein fem_Archiv?
Es herrscht eine hierarchisch strukturierte Geschlechterordnung, in welcher auf allen Ebenen ‚männliches‘ über ‚weiblichem‘ steht bzw. mit Weiblichkeit assoziiertes minderwertig hergestellt.
Sexualität wird nur zwischen Männern und Frauen gedacht. Viele die nicht in die ausschließlich zwei Pole und Sexualitätskonzepte passen, werden abgewertet, diskriminiert oder gar ermordet.
Mit Geschlecht sind Aufgaben, Rechten, Privilegien, soziale Teilhabe , Kommunikations- und Verhaltenserwartungen, Körperideale sowie Gegenständen, Farben, Kleidung, Frisuren, Accessoires und Interessen aufgeladen.
Es stellt somit ein „fundamentales Ordnungsprinzip in der Welt“ dar wie die bekannte Theoretiker_in Carol Hageman-White es formulierte.
Die allgemeine untergeordnete Rolle feministischer oder queerer Perspektiven auf Wissenschaft, Forschung und Inhalten spiegelt sich auch in den vorherrschenden Strukturen der Universität wieder.
Zum Beispiel bekommen Professor_innen nur 30% der Stellen. Der Rest wird durch Männer geprägt.
Sexualisierte Gewalt findet auch im Studien- und Arbeitsalltag von FLTI* an der Universität statt. Sexualität wird dabei als Instrument der Macht, eingesetzt. Tabuisierung und Verleugnungsstrategien zementieren das Machtgefälle.
Trans*, Inter* und nicht-binäre Personen, aber auch BiPoC sind verschiedenen strukturellen und konkreten Benachteiligungen ausgesetzt, wie etwa die Verwendung des falschen Namens, Diskriminierung auf binären Toiletten, Mikroaggressionen in Seminaren.
Ebenfalls sind Personalpolitik und Lehrinhalte von Heterosexismus und Rassismus beeinflusst – es werden hauptsächlich weiße, männliche Perspektiven zentriert und eine fiktive „europäische“ Wissenschaftsgeschichte erzählt. Studierende haben somit wenig diverse akademische Rolemodels und Repräsentanzen.
Neben der individuellen Dimension des Schutzes der Einzelnen können Hochschulen somit auch zu einem gesellschaftlichen Klima in verschiedenen Richtungen beitragen.
Was macht das fem_Archiv dagegen?
Dieser Zustand hat Einfluss auf das Einbeziehen feministischer Schwarzer oder queerer Perspektiven auf Wissenschaft, Forschung und die dort betrachteten Inhalte.
Das fem_archiv möchte diese (universitäre) Struktur um Inhalte, Austausch-, Lehr- und Lernmöglichkeiten zu Feminismus, Rassismuskritik, Produktion und Reproduktion von Geschlechterverhältnissen, kritischer Theorie und Wissenschaftskritik erweitern.
Heteronormativität, Trans- oder Homophobie, aber auch Rassismus, Ableismus und Klassismus prägen sich in verschiedenen Orten und Zeiten unterschiedlich aus. Deshalb versucht das fem_Archiv auch mit einer intersektionalen Perspektive das Zusammenwirken jener sozial gewordenen Kategorien zu betrachten.
Das fem_Archiv übt Kritik und fragt nach der Verhandlung von Wissen, nach Veränderungen dieser gesellschaftlichen und akademischen Strukturen, und es ist ein Teil im aktiven Prozess der Veränderungen.
Es macht Stereotypisierungen weiblicher, schwarzer, queerer Figuren in Literatur, Filmen, Kinderbüchern wahrnehmbar.
Es hält marginalisierte Stimmen und Inhalten die Tür auf, es schmückt einen (diskriminierungs)sensiblen, lernenden, austauschenden Raum und läd Verbündete ein ihre teils unverdienten Privilegien am Kaffetisch zu diskutieren.
Es übt in Solidarität und positive Bezugnahme auf Feminismus.
Zu guter Letzt ist es ein Ort für (queer)feministische, antirassistische Organisation.
DENN: Rassismus, Gewalt, Sexismus muss konkret benannt und kontinuierlich thematisiert werden.
Es braucht hierfür auch Vorbilder, Idole. Wer waren Vorkämpfer*innen? Woran können Feminist*innen heute mit ihren Kämpfen anknüpfen? Wofür stand und steht Feminismus?
Die kämpferische Haltung von Frauen*, Queers, BiPOC in der Vergangenheit, in Literatur und Filmen kann uns also als Ansporn gelten, heute unseren Beitrag für humanistische emanzipatorische Werte zu leisten.